Wann wurde es verrückt, einen Baum zu berühren?
und warum genau darin (unsere) Kraft liegt
der tanzende Baum im Gespensterwald
Es gibt eine Frage, die mich in letzter Zeit immer wieder beschäftigt: Wann haben wir eigentlich verlernt, mit der Natur verbunden zu sein?
Wann ist es ver-rückt geworden, einen Baum zu berühren oder ihn sogar zu umarmen?
Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückblicke, erinnere ich mich an sehr viele Momente, in denen ich diese Verbindung als etwas ganz Selbstverständliches gespürt habe – aber auch nur, weil ich heute bewusst darauf zurückblicke.
Als Kind ist es doch etwas völlig Normales: mit den Händen in der Erde zu stecken, Socken auszuziehen und barfuß zu laufen, sofern es irgendwie geht. Im Erwachsenenalter „entdecken“ wir es heute wieder bewusst durch „Earthing“ oder “Grounding” – also Erden.
Ich gehe an dieser Stelle nicht darauf ein, dass auch das alles im großen Kommerz Einzug gehalten hat, dass es Erdungsprodukte noch und nöcher gibt oder dass es gelehrt werden muss, im Wald zu baden … doch erwähnen wollte ich es kurz.
Mit den Füßen im Sand am Strand, den Wind in den Haaren, der salzigen Luft in der Nase – das war immer da für mich. Ich wohne schließlich direkt an der Ostsee, und das Meer ist ein Teil von mir, etwas, das mich schon immer begleitet hat.
Aber es gab auch Zeiten, in denen ich diese Verbindung verloren hatte. Zeiten, in denen mein Leben nur aus Hektik bestand: von Auftrag zu Auftrag, immer mit dem nächsten Ziel vor Augen. Es war, als hätte ich den Blick gesenkt, um schneller zu laufen, und dabei habe ich das Drumherum vergessen. Besonders in meiner Zeit in Berlin – da war nur der Beton unter den Füßen, auch der Beton, wenn ich in den Himmel schaute, und die endlose Liste von Dingen, die ich noch erledigen wollte oder dann irgendwann musste.
Die Verbindung war weg. Ich habe sie nicht bemerkt, weil ich zu beschäftigt war. Manchmal habe ich gespürt, wie ich auf den Bildschirm gebannt war und im Hintergrund der Sonnenuntergang die schönsten Farben gemalt hat, jedoch ohne dass ich sie wirklich gesehen habe.
Doch als ich aufs Land zog, begann sich etwas zu verändern. Ich habe die Hände in die Erde gesteckt, Sonnenuntergänge bewusst angesehen, und plötzlich war diese Verbindung wieder da. Ich habe gelernt, wieder hinzusehen und zu fühlen. Und mit diesem Zurückfinden habe ich auch gemerkt, was mir all die Zeit gefehlt hat.
wieder ganz nah dran…natürlich
Stell dir vor – ein Geschenk, das jeden Tag vor uns liegt
In einer Welt, in der alles erarbeitet, verdient oder rational erklärt werden muss, fällt es schwer, sich einfach auf ein Geschenk einzulassen, das nichts fordert und trotzdem so viel gibt.
Aber denk einmal darüber nach: Wann hast du das letzte Mal einen Sonnenuntergang wirklich angesehen? Ich meine nicht den beiläufigen Blick auf dem Weg nach Hause.
Sondern diesen Moment, in dem du die Farben spürst, den Rhythmus der Zeit wahrnimmst, in dem du die Energie des Himmels ganz klar aufnimmst – oder die Struktur der natürlichen Dinge ertasten, einatmen oder schmecken kannst.
Du brauchst nichts dafür zu tun. Kein Geld auszugeben. Kein Ziel zu erreichen. Es ist einfach da. Jeden Tag – jede Nacht.
Ich kenne nicht einen Menschen, der schlecht gelaunt ist, während er einen Sonnenuntergang beobachtet. Oder jemanden, der inmitten der Natur achtsam lebt und grimmig durch die Welt geht. Vielleicht liegt die Antwort hier: Es ist okay, dass uns etwas einfach guttut. Ohne Bedingungen. Ohne Rechtfertigungen. Es liegt und wächst direkt vor unseren Füßen, wir müssen es nur berühren.
Ein Blick nach vorne
Was, wenn wir uns „erlauben“, wieder mehr hinzusehen? Was, wenn wir uns eingestehen, dass wir diese Verbindung brauchen – weil sie uns so guttut – nicht als Rückkehr zur Vergangenheit, sondern als Schritt in eine bewusstere, erfülltere und zum großen Teil auch gesündere Zukunft?
Das bedeutet nicht, dass wir alle aufs Land ziehen müssen. Es beginnt schon im Kleinen: ein Spaziergang im Park, Kerzenschein statt künstlichem Licht, ein bewusster Blick in den (Sternen-)Himmel. Die Natur ist geduldig. Sie lädt uns immer und immer wieder ein, dass wir uns erinnern.
Vielleicht sollten wir uns öfter fragen: Was tut mir körperlich wie auch emotional wirklich gut? Und dann mutig genug sein, die Antwort anzunehmen – auch wenn sie sehr einfach sein kann. Oder es gar heißt - berühre einfach den Baum…
was kannst du sehen?
Was denkst du?
Ich stelle mir diese Fragen immer wieder, ohne den Anspruch, sie endgültig zu beantworten. Aber vielleicht können wir sie gemeinsam weiterdenken. Und währenddessen den nächsten Sonnenuntergang ansehen – als Geschenk, das uns immer wieder daran erinnert, wie einfach und schön das Leben sein kann.